That´s the MuppetShow

EKELHAFT!
denkt wahrscheinlich so mancher vor, beim oder nach dem Lesen dieses Essays. Aber abwarten, ist alles nicht sooo schlimm!

Es erklingt das Muppet Show Lied! Es ist 14 Uhr, ich mache auf und beginne mit der Arbeit!
Ich arbeite im Pornokino, ein nicht so alltäglicher Studentenjob in einer deutschen Studentenstadt.
Die genaue Bezeichnung der Tätigkeit nennt sich Kartenabreißer, man spult aber auch noch Filme zurück und verkauft Getränke! Treffende Berufsbezeichnung wäre allerdings Sozialarbeiter...
So etwa 6 bis 7 bis 8 mal im Monat arbeitet man dort also eine (meistens) 10-stündige Schicht. Die Arbeit findet allerdings nicht in einem kleinen Glaskasten a la Cinemaxx statt (wie man vermuten könnte) sondern hinter einem geräumigen Tresen mit reichlicher Getränkeauswahl; Stereoanlage, auf der eigene Musik gespielt wird (z.B. Muppet Show) und natürlich gibt es auch eine kleine Auswahl an den üblichen Erotikartikeln wie Kondome, Dildos, Videos und Sexheftchen. 
„Umgeben“ ist der Tresen von den 3 Kinos, die etwa 20 Plätze groß sind. Hier ist dann auch für jeden Geschmack was dabei: 2 mal hetero, 1 mal homo. Ein für das ungeschulte Auge also recht weitläufiger Bereich, zusätzlich zu den Kinos gibt’s dann noch die „Kontaktecke“ oder auch Scherzhaft „Wichskabine“ genannte Ecke mit 3 Monitoren und Zweiersitzbänken für gemütlicheres Beisammensein.
In dieser Kulisse spielt sich dann also auch mein Arbeitsalltag ab. 
Etwa um 14.15 kommt dann auch schon der erste Stammkunde, ja, das gibt’s im P-Kino. Es gibt zwei verschieden Typen von Stammkunden: die einen, die einfach jeden Tag kommen, sich aber nicht mit mir unterhalten (= nerven) und die, die selbiges tun, die Hardcore-Stammkunden also.
Und genau so einer kommt also meistens um diese Zeit und deckt mich sofort mit seinem Haß auf die ganze Welt ein. Seines Zeichens ist er ein alter, verbitterter Rentner, der nicht mehr so gut reden kann. Wenn er allerdings redet, schimpft er meistens mit einer sehr rauhen Stimme über das Wetter, die Arbeitslosen, Jan Ullrich.
„Toll“, denkt man sich da, „und das noch fast 10 Stunden!“ 
Na ja, nach etwa 20 Minuten Gesabbel und mehreren Nicht-Stammkunden verschwindet unser Spezi dann erst mal ins Kino, man hat für eine Stunde Ruhe.
In der nächsten Zeit bekommt man dann wirklich alles zu sehen, was man sich so an P-Kino Gästen vorstellt: Rentner, Besoffene, Studenten, Knackis, von allem etwas also.
Zwischendurch kommt dann mit einem fröhlichen „Ist schon was zu ficken da?“ der nächste Stammkunde vorbei (oder ruft an), der tatsächlich Sex zu seinem einzigen Lebensinhalt gemacht hat. 
„Ficken?“, fragt sich da jetzt der aufmerksame Leser „wieso ficken?“ 

Ja, im Kino wird auch Geschlechtsverkehr (bzw. Handarbeit oder oral oder was weiß ich) betrieben! Denn man geht nicht ins Kino um Filme zu sehen, nein, man möchte „Kontakt“. Sei es nun gleich- oder gegengeschlechtlich (manchen Leuten auch egal), die meisten Gäste sind auf ein sexuelles Erlebnis aus!
Dieser Stammkunde allerdings (und er ist nicht allein) wartet auf den magischen Moment des Erscheinens einer Frau! Denn auch das kommt so alle paar Tage vor, das sich eine Frau ins Kino verirrt, meistens zusammen mit ihrem männlichen Begleiter (Freund, Mann, Zuhälter) und meistens aus Neugier; dies ist allerdings nur eine Vermutung.
Wenn nun also dieser Moment eintrifft und es erscheint tatsächlich eine Frau kann man die merkwürdigsten Dinge im Kino beobachten. Die meisten (Stamm)kunden sind etwas nervös, tigern um die Dame herum, teilweise kommt es zu polonäseartigen Wanderungen von Kino zu Kino, immer hinter dem weiblichen wesen hinterher. Kunden ohne jegliche Hemmungen präsentieren dann im Kino auch mal nackte Tatsachen um die Frau zu beeindrucken (oder so, den Sinn hab ich noch nicht so ganz verstanden), was dann meistens das Gegenteil zum erwünschten Sex hervorruft, nämlich Flucht! „Scheiße“, denkt man sich dann wohl als Stammkunde, „muss ich wohl zum Parkplatz fahren“. Gemeint ist der nächstliegende Autobahnparkplatz, ein in der „Szene“ wohl normaler Treffpunkt für Spanner. Im Sommer fährt man dann auch mal an Seen/Strand (auch in der Nähe), denn auch da könnte man ja etwas verpassen.
Lustigerweise führt dieses seltsame Verhalten zu einem schon fast familiären Verhältnis zwischen den Kunden des Kinos. Man kennt sich, tratscht mit- und übereinander, hat eventuell schon mal etwas miteinander gehabt und bildet dann halt auch mal spontan Fahrgemeinschaften zu besagten Orten. Spannen vereint also!
Es gibt aber auch tatsächlich Frauen, wie man sie nur aus „Wa(h)re Liebe“ kennt, die dann wirklich zum Geschlechtsakt ins Kino kommen und diesen dann auch (meistens mehrfach) betreiben! Was soll man dazu noch sagen...

Jetzt ertönt das Fraggels-Lied, auch sehr passend, wenn man den Text aufs Kino bezieht...

Interessant ist auch, wie sich die Stammkunden untereinander nennen. Denn etwas Anonymität gibt es dann doch noch, man möchte wohl doch nicht das letzte von sich preisgeben, könnte ja auch gegen jemanden verwendet werden. 
Dies führte (und wurde auch von uns, dem Personal, übernommen) zu lustigen „Decknamen“. Diese sind dann meistens Berufsbezeichnungen (Bauer, Tellerwäscher, Quelle), körperliche Merkmale (Seebär (Schnurrbart wie die Figur im „Petzi“-Buch), Hüftenmann (humpelt) oder Rattenjunge (Abstehohren)). Natürlich gibt’s auch eher unspektakuläre Namen, sieht man allerdings die betreffende Person, muss man meistens lachen (Enrico, Bier, Ursus, John Wayne (hiervon gibt’s mehrere, denn John Waynes sprechen sehr cool, leise und rau, sind dabei aber nur bedauernswert)).
Was tut man nicht alles, um sich bei diesem Job die Zeit zu vertreiben...

Na ja, man könnte zwar diesen Artikel noch wesentlich verlängern mit einzelnen Anekdoten, dies soll aber erst mal nicht passieren, vielleicht schreibe ich beizeiten mal ein paar Nachträge...

Hans
hans@hasentot.de

2001-06-25
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