Prosa latrinae

Es geht um die Wurst. Eigentlich keine gänzlich neue Erkenntnis beim Sport auf dem grünen Rasen, aber eben doch nicht zu verachten. Noch bevor man sich dem Wettkampf um Tore, Punkte und vielleicht sogar Prämien stellt, geht es bei vielen Fußballern nämlich schon lange vorher um die Wurst. Und hier kommt ein ganz besonderer Ort ins Spiel, der vielleicht die Entscheidung über Glück und Unglück, über Sieg oder Niederlage bringt. Ganz bestimmt sogar. Die Toilette. Es ist kein Geheimnis, dass Nervosität den Darmdruck am Spieltag ein wenig erhöht. Bei Fußballern hat dieses allerdings eine ganz besondere Funktion. Das Geschehen am stillen Örtchen ist nämlich Ausdruck eines gesamtmannschaftlichen Rituals, ein festgelegter Ablauf. Unausgesprochene Worte bestimmen das Verhalten vor der Toilette und vielleicht auch in eben dieser. Sigmund Freud hätte seine wahre Freude dran gehabt, wenn er nur den Blick in die Toiletten der Umkleidekabinen der Nation hätte werfen können. Hat er aber nicht. Den Ausdruck der analen Phase finden wir aber trotzdem in jedem WC der Sportplätze unserer unmittelbaren Umgebung. Spieler prahlen, honorieren, applaudieren, diskutieren, kaschieren und triumphieren - wohlgemerkt geht es immer noch um das Fußballgeschäft. Nur eben vor dem Anpfiff. Dabei sind die sanitären Anlagen der Sportplätze im Allgemeinen in einem erbärmlichen Zustand. Manche sind gar so schlimm, dass man seinen Hund nicht dorthin schicken würde. Manche sehen zum Glück noch so aus, als wenn dort dieser Hund gerade am Werk war. Stören tut das aber niemanden. Man nimmt es mit Humor - was soll denn während des Spiels noch groß passieren, wenn das Schlimmste bereits hinter einem liegt. Oder unter einem. Schlecht dran ist allerdings der Spieler, bei dem nicht nur es beschissen läuft, sondern auch er selbst. Das kommt zwar in der Regel nicht so häufig vor, ist aber nicht auszuschließen. Und dann die harten Fälle: Bei diesen wird sogar vermutet, dass sie die Wurst im Hirn hätten. Eine Verdacht, der sich nur selten bewahrheitet, trotzdem aber nicht weniger häufig ausgesprochen wird. Im Normalfall übrigens gegenüber dem direkten Gegenspieler, dem Schiedsrichter, wahlweise aber auch gegen die Zuschauer, den eigenen Trainer oder den schlechten Mitspieler. Wenn man etwas verliert, braucht man einen Ausgleich. Kommt unten etwas heraus, muss oben nachgefüttert werden. Sollte man zumindest meinen. Auf dem Fußballplatz ist das aber auch nicht immer so gegeben. Hat man sich nämlich erstmal der, nun, Wurst entledigt, folgt auch die verbale Wurst. Wie diese aussieht, kann jeder erzählen, der sich schon einmal einer der eben erwähnten Gruppe zugehörig gefühlt hat. Man soll es nicht glauben, aber auf der Toilette der Mannschaft liegt auch immer die Wahrheit des Spieltages vergraben. Wie gut sind die Spieler drauf? Was haben sie am Vortag getrieben? Wie gut haben sie sich vorbereitet? Eine Antwort auf alle diese Fragen gibt es nur dort, wo eigentlich alles geschlossen sein sollte. Closed. Water Closed. Das WC. Die Türen bleiben aber trotzdem offen. Vielleicht nicht immer, aber für kurze Zeit doch. Ein Ausdruck männlicher Stärke. Oder vielleicht der Versuch, den Gegner schon vor dem Anpfiff zu beeindrucken. Bevor es dann auf dem Platz um die Wurst geht.

krü
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2001-03-15
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